20 Jahre Fresenius Medical Care.
20 Jahre Fresenius Medical Care: In dieser Zeit haben wir viel bewegt. Immer erfüllt und getrieben vom Wunsch, die Zukunft kranker Menschen lebenswert zu gestalten. Diese Herausforderung haben wir angenommen und sind daran gewachsen. Das belegen die folgenden Fakten: Seit unserem Start haben wir die Zahl unserer Patienten mehr als verfünffacht, die Anzahl produzierter Dialysatoren verzehnfacht, unseren Umsatz fast verzwölffacht und unser Konzernergebnis mehr als verelffacht. Heute betreiben wir rund 3.500 Dialysezentren in mehr als 45 Ländern und betreuen rund 300.000 Patienten. Alle 0,7 Sekunden führen wir irgendwo auf der Welt eine Dialysebehandlung durch. Möglich ist all das nur dank der mehr als 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen, die diese Entwicklung mutig und tatkräftig vorantreiben.
Mut und Tatkraft waren auch im Jahr 1996 gefragt, als der damalige Vorstandsvorsitzende der Fresenius AG Gerd Krick die Idee hatte, den viel größeren US-Dialysespezialisten National Medical Care (NMC) zu übernehmen. Dank seines technischen Gespürs, seiner kaufmännischen Weitsicht und seines strategischen Geschicks gewann er für sein Vorhaben rasch Verbündete. Gemeinsam mit dem späteren Vorstandsvorsitzenden von Fresenius Medical Care (FMC), Ben Lipps, gelang ihm schließlich der Coup: Die Übernahme glückte, Fresenius Medical Care war geboren. „In dieser Zeit hatten wir öfter Besuch im Werk: Mal waren Bankenvertreter da, mal eine US-Delegation. Alle wollten sie sich ein Bild von unserer Arbeit und dem Standort machen“, erinnert sich Erwin Franiek, der seit 36 Jahren im Unternehmen arbeitet und heute die Qualitätskontrolle am Standort der Dialysatorproduktion in Sankt Wendel leitet.
„Tatsächlich“, sagt Franiek, „sind wir schon damals Technologieführer gewesen.“ Denn die entscheidenden Schritte hierfür waren getan: 1983 führten wir den Polysulfonfilter ein, der heute Standard in allen Dialysegeräten ist. Und in den Folgejahren gelang uns das Feintuning der wichtigsten Bestandteile eines Dialysesystems: Blutfilter (Dialysator), Pumpe und Bilanzkammer. Ein harmonisches Zusammenspiel dieser drei Bausteine ist entscheidend, denn der Kreislauf des Patienten muss während der vergleichsweise raschen Blutentnahme stabil bleiben. Das heißt, es darf nur eine bestimmte Flüssigkeitsmenge pro Zeiteinheit dem Blut entzogen werden – ein Vorgang, der akribisch gesteuert werden muss. „Die erfolgreiche parallele Entwicklung dieser zentralen Komponenten war ein absoluter Glücksfall und hat uns letztlich die endgültige Technologieführerschaft beschert“, sagt Reiner Spickermann, der in den vergangenen 20 Jahren die Entwicklung für Hämodialysegeräte am Standort Schweinfurt verantwortet hat.
Lohn der Mühe sei dann 1992 die Markteinführung der 4008-Familie gewesen. „Wir waren alle unglaublich euphorisch, als wir das System der Öffentlichkeit auf der ERA-EDTA, der Jahrestagung der ‚European Renal Association – European Dialysis and Transplant Association’ in Paris vorgestellt haben“, erzählt Spickermann. Die Resonanz sei überwältigend gewesen. Beflügelt vom Erfolg hätte das Unternehmen, so Spickermann, in den Folgejahren seine Technologieführerschaft immer weiter ausgebaut. Und zwar sowohl bei den Dialysatoren, dem Herz des Systems, als auch bei der Dialysemaschine selbst. Weitere Meilensteine waren die Markteinführung der FX CorDiax Dialysatoren mit neuer Helixone-Membran im Jahr 2000 sowie 2005 Markteinführung des Therapiesystems 5008, das erhebliche Vorteile für die Patienten mit sich brachte: So sank beispielsweise die Sterblichkeitsrate um 35 Prozent.
Die kontinuierlichen Verbesserungen der Dialysegeräte ebneten letztlich den Weg zur Marktführerschaft. Bereits im Jahr 1999 lief in Schweinfurt die 100.000. Dialysemaschine vom Band. Bereits vier Jahre später versorgten wir weltweit schon damals weit mehr als 100.000 Patienten, und die Jahresproduktion wuchs auf über 50 Millionen Dialysatoren. 2007 produzierten wir unseren 500.000.000. Dialysator, sechs Jahre später erreichten wir die Eine-Milliarde-Grenze.
Was uns prägt, ist Kontinuität: Das gilt für das Unternehmenswachstum wie auch für die immerwährenden Verbesserungen an der Maschine selbst. Gewiss sind dies oft kleine Erfolge. Aber jeder noch so winzige Schritt bringt dem Patienten ein Mehr an Lebensqualität und verlängert sein Leben. „Wenn ich mir das vor Augen führe, gibt es für mich keine bessere Motivation“, betont Spickermann. „Die große Herausforderung ist, die Komplexität der Nierenfunktion bestmöglich nachzuahmen.“ Entsprechend kompliziert ist der Aufbau der Dialysemaschine: Sie besteht aus rund 8.000 Bauelementen, die zum Teil aus ganz speziellen Werkstoffen gefertigt sind und über besondere Eigenschaften verfügen: So müssen sie zum Beispiel biokompatibel sein, das heißt, die Bauelemente dürfen keinerlei Fremdstoffe ans Blut abgeben. Und sie müssen robust gegen hohe Temperaturen, Säuren und Basen sein. Schlüsselbauteile sind zudem die Ventile, die absolut präzise und zuverlässig arbeiten müssen. Und das über den langen Zeitraum von rund 5.000 Betriebsstunden pro Jahr bei einer durchschnittlichen Laufzeit von zehn bis zwölf Jahren. „Wichtig ist auch, dass die einzelnen Bauteile wie Rädchen in einem Uhrwerk ineinander greifen, damit die Blutparameter wie Temperatur und pH-Wert sowie der Kreislauf des Patienten stabil bleiben“, betont Spickermann. Die Zusammensetzung des Blutes dürfe nicht zu schnell verändert werden; zudem muss auch die Gerinnung des Blutes verhindert werden. „Dass wir diese komplexe Aufgabe beherrschen, zeichnet uns aus“, sagt Spickermann.
Dieser sichere Umgang mit Komplexität ist jedoch nur ein Aspekt unserer Arbeit. Auch Patientensicherheit und ein Höchstmaß an Qualität sind absolutes Muss. „Wenn es um die Gesundheit und Sicherheit der Patienten geht, können wir keine Kompromisse machen“, unterstreicht Franiek, der mit seinem Team für die gleichbleibend hohe Qualität der Materialien und Prozesse sorgt. „Deshalb verbessern wir stetig die Verträglichkeit der Produkte, und in der Produktion automatisieren wir viele Kontrollprozesse, um Fehler bestmöglich zu minimieren.“ Weil Qualität einen so hohen Stellenwert hat, haben wir uns von Anfang an als vertikal integriertes Unternehmen aufgestellt. So behalten wir die komplette Wertschöpfungskette in unserer Hand: die Produktion der Membran und der kompletten Maschine, aber auch die Entwicklung der Software und alle Leistungen rund um die Dialyse-Anwendung sowie begleitende Therapien. Die vertikale Integration hat noch einen weiteren Vorteil: Auf diese Weise bündeln wir das komplette Wissen im Haus. Darüber hinaus erhalten unsere Entwickler im täglichen Miteinander von Patienten und Experten wertvolle Hinweise und Tipps. Diese helfen uns, die Produkte und Dienstleistungen für unsere Patienten immer weiter zu verbessern und Arbeitsschritte einfacher, patientensicherer und effizienter zu machen.
In der Tat kommen die entscheidenden Impulse für Verbesserungen von den Ärzten und Patienten. Von ihnen wollen wir deshalb künftig noch intensiver lernen. Aus diesem Grund sind wir bereits in den 1990er-Jahren ins Klinik- und Dienstleistungsgeschäft eingestiegen und haben dieses in späteren Jahren sukzessive ausgebaut. Beispiele hierfür sind etwa die Übernahme der Renal Care Group, Inc. im Jahr 2005, die Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent am taiwanesischen Dialysedienstleister Jiate Excelsior im Jahr 2007, die Übernahme der Asia Renal Care im Jahr 2010 sowie die Übernahme von Euromedic im Jahr 2011 und der amerikanischen Liberty Dialysis Inc. im darauf folgenden Jahr.
„Trotz aller Anstrengungen und ständiger Verbesserungen stoßen auch wir an gewisse Grenzen“, meint Prof. Dr. Bernard Canaud, Chief Medical Officer. „Die Dialyse bewahrt nierenkranke Menschen vor dem sicheren Tod und hat in den vergangenen 50 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Aber es ist eine Herkulesaufgabe, die Niere in ihrer Funktion 1:1 nachzuahmen. Dabei setzt uns nicht die Wirksamkeit der Methode Grenzen, sondern die zeitliche Limitierung der Dialysetherapie.“ Denn die menschlichen Nieren arbeiten rund um die Uhr und reinigen am Tag 1.500 Liter Blut, das sind pro Jahr rund 546.000 Liter und in 20 Jahren rund 11 Millionen Liter. Das entspricht der gewaltigen Menge an Wasser, die eine Kläranlage für 35.000 Einwohner in 24 Stunden reinigt. Eine Dialysemaschine hingegen fördert und reinigt lediglich 120 Liter Blut in vier Stunden und das dreimal die Woche. Angesichts dessen sowie der Tatsache, dass die Zahl der Nierenkranken in unserer alternden Gesellschaft weiter steigen wird, fordert Prof. Bernard Canaud, neben der Dialyse auch andere Therapieansätze zu erwägen: „Wir müssen den Patienten in seiner gesamten Lebenssituation betrachten und jede Möglichkeit nutzen, die ihm ein Mehr an Lebensqualität bringt.“ Dazu gehöre auch, Parameter und Symptome, die zu Nierenkrankheiten führen, früher zu erkennen und vorzubeugen.
Der Schlüssel hierfür liegt in einer bestmöglichen Patientenversorgung und im Verstehen detaillierter medizinischer Zusammenhänge. Daher möchten wir künftig unsere medizinische Kompetenz weiter stärken und vermehrt in medizinische Leistungen investieren, die an die Dialyse angrenzen. In diesem Segment „Versorgungsmanagement“ haben wir bereits heute in unserem größten Markt, den USA, einen Umsatzanteil von elf Prozent erreicht. Aktuell betreuen wir dort rund 35 Prozent aller Dialysepatienten, Tendenz steigend. Das sind Zahlen, die unser Vorstandsvorsitzender Rice Powell auf der Hauptversammlung im Mai dieses Jahres präsentierte. Er verbindet mit dem Ausbau des Versorgungsmanagements wichtige strategische Ziele, wenn er sagt: „Aufgrund unseres Wissens in der Dialyse und den Geschäftsfeldern im Versorgungsmanagement haben wir die Möglichkeit, Veränderungen im Gesundheitsmarkt aktiv mitzugestalten.“ So bietet sich uns die Chance, eine ganzheitliche Behandlung unserer Patienten in den Fokus zu rücken – und damit den Grundstein für weiteres Wachstum zu legen.